Die subtilen Ängste der Entscheider
, von Dieter Höfler (Beirat Bridge imp, Unternehmer, Berater)

Die landläufige Meinung ist, Manager haben keine Ängste!
Bei der großen Verantwortung, die sie haben und bei den weitreichenden Entscheidungen, die sie jeden Tag zu treffen haben, geht das mit „Angst haben“ nicht zusammen. Und doch sind die allermeisten Führungskräfte mit einer Reihe von ganz subtilen Ängsten konfrontiert.
Diese Führungskräfte stehen nicht da und schlottern vor Angst oder verkriechen sich in den hintersten Winkel - nein, das würde mit ihrem Selbstverständnis von Management nicht zusammen passen. Führung und managen heißt für sie: Stark sein, immer und überall Bescheid wissen, keine Schwächen zeigen, perfekt sein.
Und genau da beginnt das Problem!
In unserer heutigen Businessgesellschaft ist das „perfekt sein“ nahezu ein Muss. Ob beim Aussehen, im Auftreten oder bei der Auswahl der Personen, mit denen wir uns umgeben - alles muss perfekt sein. Und so werden diese Maßstäbe auch bei unseren Führungskräften angesetzt - vermeintlich. Das führt zu Stress bei den betroffenen Personen. Sie sind überfordert mit der Rolle, die sie glauben spielen zu müssen. Das Ergebnis sind verkrampfte, unauthentische, verbissene Manager - und alles nur, um die gewünschte Fassade aufrecht erhalten zu können.
Dies führt oft zu eigenartigen Reaktionen!
Mir ist es in letzter Zeit häufiger passiert, dass ich ein sehr gutes, aufschlussreiches und in guter Atmosphäre geführtes Gespräch mit Führungskräften über den Einsatz von Interim Managern geführt habe. Nach anfänglicher Skepsis, aufgrund von Unerfahrenheit mit diesem Thema, ergaben sich eindeutige Ansatzpunkte und Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen. Wir vereinbaren ein nächstes Telefonat oder einen nächsten Termin - und plötzlich ist die entsprechende Person nicht mehr erreichbar, lässt sich verleugnen.
Ich habe mich gefragt: Hab ich was falsch gemacht, was falsch verstanden, Signale falsch interpretiert? Doch ich konnte keine signifikanten Fehler entdecken! Woran also liegt dieses, aus meiner Sicht, eigenartige Verhalten?
Ich glaube es sind die versteckten, subtilen Ängste dieser Manager. „Das muss ich doch selber hinkriegen!“
„Wenn ich mir Hilfe von außen hole, was denken da meine Kollegen?“
„Hält mein Chef mich für unfähig, wenn ich mir Hilfe hole?“
„Ich kann dafür doch nicht so viel Geld ausgeben!“ etc.
Sie sind aufgrund der Gespräche durchaus der Überzeugung, dass ein Interim Manager ihnen eine große Hilfestellung, wenn nicht sogar die einzig mögliche Lösung wäre, aber sie trauen sich nicht diese Entscheidung zu treffen und sie vor der Außenwelt, den Kollegen und dem Chef zu vertreten. Vielleicht sind sie in der Zwischenzeit auch zu einer anderen Lösung gekommen, aber sie trauen sich auch nicht, NEIN zu sagen, mir gegenüber.
Dieses Verhalten führt zu einer Art Distanzierung, weil es nicht nur in diesem Beispiel Anwendung findet, sondern in vielen ähnlich gelagerten Fällen. Auf Abstand halten, die Leute nicht zu nahe an sich ran lassen, ist die Strategie, dann sieht niemand meine Beweggründe - meine Ängste!
Die schlimmste Konsequenz aus diesem Verhalten ist meistens ein Nicht-Entscheiden, mit oft verheerenden Folgen für das Unternehmen und betroffene Mitarbeiter.
Ich wünsche mir von unseren Führungskräften mehr Mut zu klaren und eindeutigen Aussagen, zu neuen und vielleicht unbequemen Entscheidungen und das Stehen zu ihren Überzeugungen.