Warum gibt es so viel mehr männliche
Führungskräfte als Frauen in Führungspositionen? Warum so viel mehr Interim
Manager als Interim Managerinnen? Warum habe ich nach zehn Jahren, nach so
vielen hundert Mandaten noch keine einzige Frau in eine
Geschäftsführungsposition vermittelt?
So mancher Kunde fragt mich während der Besetzung seiner spezifischen Vakanz
nach einer Interim Manager-Kandidatin. Und so leicht es uns als
Vermittlungsagentur von Interim Managern typischerweise fällt, unseren Kunden den
passenden Kandidaten mit dem für seine Situation gewünschten Mix aus
Fachexpertise und Führungspersönlichkeit anzubieten, so schwer fällt uns die
Fahndung nach einer passenden Kandidatin.
Die Anfragen, die ich typischerweise
besetze, sind Top-Management-Positionen – keine Führungsaufgaben im mittleren
Management. Und während dann in solchen Fällen in meinem Kopf der Filter nach
dem passenden Kandidaten läuft, ertappe ich mich oft genug dabei, wie dieser
Kopf bei der gesuchten Kombination „Frau“ und „toughe Führungsaufgabe“ eine
Liste von Vorurteilen ausspuckt.
Eine Frau, die folgendem Persönlichkeitsraster
einer klassischen Top-Management-Aufgabe entspricht:
- Rationales
unemotionales Standing – gepaart mit einem charismatischen Auftritt?
- Bauchgefühl
kombiniert mit kühlem Kopf?
- Klare,
angstfreie Kommunikation? Durchsetzungsstärke?
- Psychische
Belastbarkeit? Fähigkeit zur Abgrenzung? „Nein“ sagen können?
- Aber
dafür „Ja“ zu Entscheidungen, die nicht von allen getragen werden?
- Humorvolle
Selbstdistanz? Fähigkeit zur Selbstkritik? Umgang mit den eigenen Schwächen?
- Coolness
auch in brenzligen Situationen?
In Abgleich mit meinem – sicherlich hohen -
Anspruch nicht vorstellbar. Anders erlebt. Unbekannt. Leider viel zu oft Fehlanzeige.
Zugegebenermaßen trifft meine Liste bei
weitem auch nicht auf jede männliche Führungskraft zu, aber auf so manchen
Manager dann eben schon.
Ab 2012 wird IBM durch eine Frau geführt:
http://de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE79P0F920111026
Liege ich etwa falsch?
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Kommentar von Antje Lenk |
Lieber Herr Kerwath,
ohne überheblich sein zu wollen - für den eigenen Job empfehle ich mich täglich. Könnte ich das nicht, wäre ich die falsche Wahl...
Was mir zu schaffen macht, ist insbesondere Ihr Punkt 1 - es gibt definitiv zu wenige Damen in den oberen Etagen. In Verquickung mit Ihrem zweiten Punkt lässt sich dies auch sicher nicht durch eine kurzfristige Quotendiskussion beheben, Es bleibt insgesamt fraglich, wieviele potentielle Top-Kandidatinnen sich durch langjährige und routinierte Tätigkeiten auf immer höheren Ebenen die dafür notwendigen Skills erarbeiten....
Ich schau mir jetzt mal die DDIM-Website an ;-)
Kommentar von Udo Kerwath |
Liebe Frau Lenk,
endlich mal ein provokativer Beitrag, der auch Diskussion bringt. Wie schaffen Sie es eigentlich nun mit dem Dilemma umzugehen, dass Sie sich nicht für Ihren eigenen Job empfehlen würden? :-)
Aber ernsthaft, letztes Wochenende waren ja viele aus unserer Branche auf dem 7. IIMM in Wiesbaden. Wenn ich die Kolleg(inn)en mal so vor meinem inneren Auge Revue passieren lasse, so stelle ich zwei Dinge fest:
1. Es waren in absoluten Zahlen sehr wenige weibliche Teilnehmer dabei
2. Unter diesen schien mir aber der Anteil derer die Ihren Kriterien gerecht würden, höher zu sein.
Gruß aus Rheinhessen,
Udo Kerwath
Kommentar von Papmehl |
Liebe Frau Lenk,
ja ich bin bei Ihnen - es könnten mehr sein! Auch hat Frau Strack recht, dass bei Frauen (oft wiederum von Männern) die Messlatte reichlich "höher" gelegt wird; Vollkasko-Mentalität um bloss keinen Fehler zu machen. Wenig zielführend finde ich im Kontext die unsägliche "Quote", als müsse hier eine Minderheit geschützt werden: Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine gute (Interim) Managerin aufgrund einer Quote ernannt werden möchte!
Kommentar von Antje Lenk |
Lieber Herr Papmehl,
qualitativ haben Sie da sicherlich recht, aber quantitativ gibt es immer noch viel zu wenige Frauen diesen Typs...
Aber vielleicht meldet sich hier ja die eine oder andere?
Kommentar von Independent Executive |
be different, stay different- Ginni ist einen langen Weg gegangen, wie auch andere Koleginnen: IBM Deutschland. Schweiz, Österreich, SBB, Schweizer Post und auch DTAG. Sicher nicht durch kopieren von Alphas und Rambos, irgendetwas ist anders...
Kommentar von Marei Strack |
Sehr geehrte Frau Lenk,
im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema „Frauen in Aufsichtsgremien“ habe ich kürzlich die aufschlussreiche Einschätzung mehrerer Aufsichtsrätinnen zur Auswahl ihrer eigenen Person gehört. Übereinstimmend berichteten sie nämlich davon, dass in ihrem Fall jeweils versucht wurde die vollständige Kriterienliste an Qualifikationen abzuarbeiten, der bis dato kein anderes Mitglied genügte, z. B. die mehrjährige Führungserfahrung im Ausland. Der entstandene Eindruck war duchgängig, dass bei der Bestellung einer Frau wirklich kein Punkt offen bleiben durfte, wobei kein Mann jemals vorher so viele Muss-Kriterien hatte. Vermutlich darf man sogar unterstellen, dass hier nicht böser Wille am Werk war, sondern sogar das Bemühen, die Auswahl besonders gut zu machen.
Interessanterweise betrifft Ihre Liste eher Soft- als Hard-Skills. Ich möchte Ihnen vehement widersprechen, wenn Sie Frauen im (Interim-)Management diese Fähigkeiten generell absprechen. Allerdings ist hier anzumerken, dass eine Frau tatsächlich häufig anders führt, deshalb aber keinesfalls weniger tough sein muss (übrigens ist „toughes“ Auftreten nicht notwendigerweise auch erfolgreich). Der manchmal zu beobachtende Trend zur Adaption männlicher Führungsrituale und „Alpha“-Tier-Verhaltensweisen führt in vielen Fällen zu einem Verlust an Authentizität.
• Frauen führen nicht schlechter sondern anders!
• Auch im professionellen Konfliktmanagement sind Frauen nicht weniger erfolgreich, setzen aber andere Schwerpunkte.
• In einem Punkt allerdings haben Sie absolut recht: Dem fatalen Hang zur Selbstverleugnung und –ausbeutung für die Karriere oder den kommerziellen Erfolg verweigern sich mehr Frauen als Männer in Führungspositionen.
Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, braucht es Unterstützung gerade von Frauen wie Ihnen, die Vorbildfunktion haben und auf Seiten der Auftraggeber und der Bewerberinnen fördern und fordern, um so den Weg für andere Frauen zu ebnen.
Ich wünsche Ihnen fürs nächste Mal eine erfolgreiche Kandidatinnen-Suche. Wenn Sie es dann doch geschafft haben sollten, eine Frau zu vermitteln, bin ich überzeugt, werden Sie feststellen, dass viele Frauen gewöhnt sind, Ziele mindestens zu erreichen und eine verdammt gute Arbeit machen können.
Viele Grüße aus Neuss
Marei Strack
Kommentar von Papmehl |
Ich denke ja - Sie liegen falsch! Die Frauen, welche ich in Top-Management-Positionen erlebt habe, waren ihren männlichen Kollegen oft um Lichtjahre voraus. Das Problem scheint mir eher, dass Frauen nicht als "Alpha-Tiere" sozialisiert sind und Karriere oft nicht die gleiche Top-Priorität hat - wie bei vielen männlichen Kollegen...