Ist Branchen-Know-how ein Muss für einen Interim Manager?
, von Karin Wilhelm (Senior Beraterin Bridge imp)
30 Jahre zurück: Der Mann verkaufte überaus erfolgreich Zigaretten für Philip Morris, aber er war Nichtraucher. „Wie kannst du Zigaretten verkaufen, wenn du selbst nicht rauchst?“ fragte ich ihn. Der Mann antwortete lächelnd: „Wenn ich Damenunterwäsche verkaufen würde, würdest du dann auch erwarten, dass ich einen Büstenhalter trage?“
Würde ich natürlich nicht, aber meine Denkweise von damals behauptet sich vielleicht mehr als mitunter gut ist: Den Verkauf eines Schraubenherstellers kann nur leiten, wer sein gesamtes Berufsleben ausschließlich mit Schrauben verbracht hat. Ohne BH geht es also nicht. Denn wer noch nie geschraubt hat, kann auch keine Schrauben verkaufen.
Selbst die übergeordnete unternehmerische Handlungsmaxime der Kundenorientierung verliert in dem Moment ihre Anwend- und Umsetzbarkeit, in dem ich statt Autos nun Mixer verkaufen soll. Wie können Männer nur erfolgreich sein im Verkauf von Brustimplantaten und Botox? Sie können und sie sind. Viele.
Nur wer eine Branche in- und auswendig kennt, hat die richtigen Antworten, davon scheinen viele Unternehmen überzeugt. Geht es denn aber nicht viel mehr darum, die richtigen Fragen zu stellen? Die findet mitunter und gerade der, für den das Gebiet neu ist: „Warum machen Sie das so?“
Sie ahnen, worauf ich hinaus will? Natürlich! An erster Stelle der Voraussetzungen, die ein Bewerber mitbringen muss, stehen häufig die Branchenkenntnisse, und zwar als Ausschluss-Kriterium und gerne mit mehr als 20 Jahren. Die eigentliche Chance und der Mehrwert, den nicht nur Interim Manager sondern auch Bewerber aus anderen Bereichen bieten, werden abgetan und vertan. Selbst die Steigerung ist noch möglich: Er darf nur schwarze und weiße BHs getragen haben – cremefarben zählt nicht - um den Unternehmenserfolg zu sichern.
Die andere Seite sind die Über-den-Tellerrand-Gucker, die breit denkenden Unternehmen, die sich nicht fürchten, die sich bewusst für jemanden entscheiden, der unangenehme, aufrüttelnde und zum Nachdenken anregende Fragen stellt. Der Wäschehersteller holt sich gezielt den, der sich mit Schrauben auskennt und stellt sich der Naivität seiner Fragen: Welchen Nutzen bringt das dem Kunden? Warum machen Sie das so? Wie kann man denn einen solchen Verschluss öffnen?
Ein Regionalleiter bei Rank Xerox fragte jeden, der ein Projekt vorstellte oder eine Investition beantragte: „ Wie wird uns das helfen, mehr Kopierer zu verkaufen?“ Er stellt immer nur diese eine simple Frage. Wer diese Verbindung nicht klar herstellen konnte, durfte sich eines „nein“ sicher sein. Der Regionalleiter war ein branchenfremder Quereinsteiger.
Was Unternehmen weiterbringt, sind die richtigen Fragen. Die Frage ist nur, wer diese am besten stellt?
Keineswegs will ich die unbestreitbaren Vorteile oder die unverzichtbare Notwendigkeit von Erfahrungen in einer Branche für bestimmte Positionen in Abrede stellen. Ebenso wenig wie Kontakte, über Jahre aufgebaute Netzwerke, vertieftes Prozesswissen oder einfach nur das Wissen, wie eine Branche „tickt“.
Im Dialog mit mutigen, innovativen und zukunftsorientierten Vorständen und Geschäftsführern, die die richtigen Fragen so sehr herbeisehnen, hören wir jedoch immer mehr die Aussage: Er muss keinen BH tragen!
Meist trennen sich Unternehmen von Managern, weil die berühmte „Chemie“ und die Einstellung nicht stimmen, weil der aufgrund der fachlichen Voraussetzungen mit hohen Erwartungen eingestellte Bewerber diese letztlich nicht erfüllen kann, da er keine neuen Impulse setzt, nicht über den Tellerrand blickt, nur in bereits ausgetrampelten Pfaden läuft. Und jeder fragt sich, warum? War er nicht der ideale Kandidat, kam er nicht mit unendlich viel Branchenerfahrung?
Interim Manager mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund bieten einen so schier unfassbar enormen Mehrwert - ohne jemals einen BH getragen zu haben. Unternehmen erkennen zunehmend, dass Verschlusstechnik und Stützbügel, praktisch ausgelegt und in Spitzen verpackt, nicht nur für Wäschehersteller Erfolg bedeuten können.
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