Vergleich von Projektmanagement beim Film und in der freien Wirtschaft
, von Cathleen Kehr (Bridge imp)
Management ist letztlich Energiearbeit!
Anlässlich seines neuen Films „Elser“ haben wir Oliver Hirschbiegel, den preisgekrönten Regisseur von „Der Untergang“ und „Das Experiment“, interviewt. Er sprach mit uns über das Thema Projektmanagement und die Parallelen zwischen Filmgeschäft und freier Wirtschaft.
Seine Einsichten zum Thema Führung inspirieren und geben mögliche Antworten auf die Frage, warum manche Führungskräfte erfolgreich sind und andere scheitern. Sein Credo: „Regisseur oder Manager – beide funktionieren nur, wenn sie eine Leidenschaft für ihr Tun mitbringen! Management ist letztlich Energiearbeit.“
Hier das Video zum Interview:
Das vollständige Interview lesen Sie hier:
Herr Hirschbiegel, sehen Sie sich als Künstler oder als Projektmanager?
Wenn mir etwas gut gelingt, sei es ein ganzer Film, oder auch nur eine Sequenz oder Szene, dann fühle ich mich als Künstler. Ansonsten bin ich eher ein Handwerker, der das älteste Handwerk der Welt ausübt, nämlich das Geschichtenerzählen. Das Geschichtenerzählen mittels Film ist ein sehr komplexer Apparat mit vielen Einzelkomponenten, die berücksichtigt werden müssen. In dem Moment, in dem das Projekt bei mir landet, bin ich die entscheidende Instanz, also der Projektmanager. Meine Aufgabe ist es, das Schiff, spricht das Projekt, im Rahmen des Budgets und zu der bestmöglichen Qualität in den Hafen zu steuern – ohne dabei Kompromisse zu machen, die ich nicht vertreten kann. Wichtig dabei: die ständige Kommunikation mit allen Beteiligten.
Ein Filmregisseur ist immer auch ein Manager, denn unsere Arbeit ist mit der eines Projektmanagers sehr gut vergleichbar: Wir haben bis zu 300-400 Leute, die für uns und mit denen wir arbeiten. Fragen nach Menschenführung, Organisation und Kostenständen sind beim Film genauso relevant wie bei jeder Führungskraft oder jedem Interim Manager in der freien Wirtschaft. Meine Aufgabe ist es, den Mitarbeitern zu vermitteln, worum es geht, und sie zu motivieren, am Ball zu bleiben – nicht selten 12-13 Stunden am Tag. Das zu können ist eine Gabe, die man nicht lernen kann, sondern entweder hat oder eben nicht.
Meiner Meinung nach kann man die Arbeit eines Managers erlernen, als Regisseur dagegen wird man geboren. Anders als in einem Büro habe ich meine Mitarbeiter die ganze Zeit um mich und ich versuche, mit allen in Kontakt und immer ansprechbar zu sein. So bewegt man sich auf einer kollegialen Welle in die gleiche Richtung – alles andere wäre Energie- und Zeitverschwendung.
Welche Gabe braucht man, um die Leute für sich und seine Vision zu gewinnen?
Regisseur oder Top-bzw. Interim-Manager – beide funktionieren nur, wenn sie eine Leidenschaft für ihr Tun mitbringen. Denn wer diese Leidenschaft nicht hat, kann diese auch nicht auf seine Mitarbeiter überschwappen lassen. Management ist letztlich Energiearbeit. Es geht darum, die Menschen in einem positiven Sinne an sich zu binden und für seine Vision zu motivieren. Aber immer mit der Freiheit, dass jeder selbstständig arbeiten und Verantwortung übernehmen kann. Je mehr Verantwortung man überträgt, desto mehr bekommt man in der Regel auch zurück.
Was sind die größten Herausforderungen bei einem solch langen Projekt wie einem Film?
Bernd Eichinger hat einmal gesagt: Filme machen ist wie das Besteigen einer riesigen Gebirgswand. Sieht man die ganze Wand, glaubt man nicht, dass man das Erklimmen schafft. Betrachtet man aber einzelne Etappen und arbeitet diese ab, dann ist es machbar. Jeder meiner Tage bringt neue Herausforderungen – auch nach 30 Jahren tauchen immer wieder Fragen und Probleme auf, mit denen ich so noch nicht konfrontiert war. Aber das ist auch das Schöne an dem Beruf.
Wo liegt die größte Gefahr zu scheitern?
In unserer Branche gibt es keine Erfolgsgarantien. Kein Regisseur der Welt dreht ausschließlich Erfolgsfilme. Es gehört zur Hygiene dazu, ab und zu einen Flopp zu produzieren. Wenn ein Film ein Problem hat, geht das normalerweise in allen Phasen der Produktion auf die Basis, sprich auf das Drehbuch zurück. Manchmal weiß ich bereits während des Drehs, dass die Story nicht aufgehen wird, aber es ist meine Aufgabe, das Beste daraus zu machen. Habe ich bereits ein sehr gutes Drehbuch, ist es meine Aufgabe, daraus einen Film zu machen, der noch besser ist.
Geht es Ihnen bei einem Filmprojekt um die kreative Befriedigung oder um den Kassenerfolg?
Weder noch, es geht mir darum, die Geschichte so authentisch, glaubwürdig und kompromisslos zu erzählen, wie sie das verlangt und verdient. Das mache ich manchmal mit harten Bandagen, aber immer mit Liebe und mit dem Bestreben, dass alle Beteiligten mitziehen. Mein Ego existiert dabei eigentlich nicht. Erfolgreich ist für mich ein Film dann, wenn er mich berührt, obwohl ich so viele Monate daran gearbeitet habe, und er auch das Publikum berührt. Wenn er dann auch noch ein Kassenerfolg wird, umso besser, aber darüber denke ich nicht nach.
Was sind Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren beim Thema Führung?
Helmut Schmidt hat einmal einen deutschen Philosophen so zitiert: „Führung ist keine Frage des Inhalts sondern der Notwendigkeit.“ Ich führe Menschen darüber, dass ich ihnen genau erkläre, was ich vorhabe und inwiefern ich sie dazu brauche. Oft sind die Dinge, die ich verlange, etwas schwieriger als das, was andere verlangen. Aber meine Erfahrung ist die: Die Menschen finden fast unlösbare, herausfordernde Aufgaben spannender, als das Standardprogramm, das sie sowieso können. Mein Prinzip zu arbeiten besteht darin, dass ich ansprechbar bin und klar sage, was ich möchte, aber meine Mitarbeiter auch dazu aufrufe, mit Vorschlägen auf mich zu zukommen. Ich finde es unglaublich einfach, Menschen zu motivieren, denn die Neugier und Abenteuerlust steckt in jedem von uns – die gilt es nur zu wecken. 50% vom dem, was man als Führungskraft erreicht, erreicht man über seine Persönlichkeit. Die anderen 50% sind Inhalt. Durch meine Art und Weise, mit der Crew um zugehen, bin ich schneller und effizienter als viele andere und kann weiter gehen. Wenn die Mitarbeiter meine Überzeugung spüren, dann sind sie bereit zu folgen.
Wie gehen Sie mit Konflikten um?
Konflikte gibt es in meiner Arbeitswelt kaum, die habe ich eher mit mir selber, indem ich mir nicht genüge oder finde, der Aufgabe nicht ausreichend entsprochen zu haben. Wenn es aber wirklich Reibungssituationen gibt, trage ich diese direkt aus. Macht jemand seine Arbeit nicht gut, kann ich sehr klar und streng sein. Dabei geht es jedoch immer um die Sache, nie um die Person. Hiobsbotschaften vermittele ich immer auf Augenhöhe, nie von oben herab. Die Herausforderung ist, dass man nicht mit Scheuklappen Ansagen macht, sondern dass man für jeden Einzelnen ein Gespür entwickelt, denn im Detail sind wir Menschen alle unterschiedlich. Vorlieben, Empfindlichkeiten, Egoprobleme – all diese Faktoren gilt es zu erspüren und in die Art und Weise, wie man mit dem Mitarbeiter umgeht, zu integrieren.
Welche Eigenschaften brauchen Sie als Regisseur und Projekt- bzw. Interim Manager?
Als Regisseur - und auch als Projektmanager – muss ich kein Thema zu 100% beherrschen, aber ich muss über jeden Bereich einen guten Überblick haben. Zu jeder Zeit muss ich auf jede Frage eine klare Antwort geben können. Entscheidungsstärke und Kommunikation sind Schlüsselkompetenzen, denn den Menschen, die genau wissen, was sie tun, folgt man gerne. Auch Durchsetzungsstärkte braucht es, die aber nicht brachial sein darf, sondern immer der Sache und nicht dem eigenen Interesse förderlich.
Wann stoßen Sie an Ihre Grenzen?
Bisher bin ich selten an Grenzen gestoßen. Das liegt auch daran, dass ich mir gerne Projekte aussuche, die grenzüberschreitend sind und ein großes Risiko in sich haben. Das ist mein Feuer. Die Möglichkeit des Scheiterns ist meistens Teil meiner Projekte, aber auch zugleich das, woraus ich Energie schöpfe.
Am 09. April 2015 kommt der neue Film von Regisseur Oliver Hirschbiegel in die Kinos. Sein neues Werk „Elser“ wurde im Januar mit dem bayerischen Filmpreis ausgezeichnet und auf der diesjährigen Berlinale uraufgeführt: http://youtu.be/MsFYE23oCNU
+49 89 32 49 22–0