Erfahrungsbericht: Aufbau einer Serviceorganisation in Russland
, von Cathleen Kehr (Bridge imp)
Ein Erfahrungsbericht des Interim Managers Michael Fritzsche
Um die Bedeutung des After Sales Service wusste ein Hersteller von Premium-Nutzfahrzeugen sehr genau. Mit seinem Einstieg in den russischen Markt war es daher auch seine Intention, dieses Geschäftsfeld schnellstmöglich solide auf- und auszubauen. Denn dass Fahrzeugkäufer von einem funktionierenden Kundendienst in ihrer Kaufentscheidung bestätigt und langfristig gebunden werden können, ist auch dort kein Geheimnis. Der Aufbau der Vertriebsgesellschaft vor Ort war jedoch eine Herausforderung:
Aufgrund der Größe Russlands war es zunächst nicht möglich, von Beginn an einen flächendeckenden Service anzubieten. Gemeinsam mit den Kunden mussten Lösungen für die erforderlichen Inspektionen, Wartungen und ggf. Gewährleistungen gefunden werden. Zudem konnten in der Aufbauphase die in Westeuropa üblichen Serviceintervalle nicht immer eingehalten werden.
Die Gewinnung zuverlässiger Servicepartner gestaltete sich in der Aufbauphase wegen der noch niedrigen Verkaufszahlen sehr schwierig. Den Anforderungen des Herstellers an die Einhaltung seiner Standards standen hohe Erwartungen der Servicepartner an ein angemessenes Umsatzvolumen, das die notwendigen Investitionen rechtfertigte, und an kostendeckende Erlöse gegenüber. Darum musste es der Nutzfahrzeughersteller seinen Dienstleistern erlauben, in Einzelfällen den Service für Fahrzeuge von Wettbewerbern zu übernehmen. Auch bei der Regulierung von Gewährleistungsansprüchen durch die Servicepartner brauchte es beim Hersteller ein Umdenken: Denn wenn es z. B. auf Grund großer Entfernungen nicht möglich war, ein Fahrzeug in die Werkstatt zu holen, musste dieses vor Ort beim Kunden repariert werden. Dabei waren nicht selten logistische Herausforderungen – wie die Überwindung von mehreren Zeitzonen oder von unwegsamem Gelände – zu meistern. Der dabei entstandene Aufwand lag zum Teil erheblich über dem in Westeuropa und musste entsprechend kompensiert werden.
Eine weitere wichtige Säule war die Ersatzteilversorgung: Ein gut bestücktes und regelmäßig beliefertes Zentrallager war hier unverzichtbar. Die Logistik dafür war anspruchsvoll, Verzögerungen beim Transport aus Deutschland oder der Zollabfertigung mussten eingeplant werden. Um die Versorgungssicherheit dennoch gewährleisten zu können, waren zwangsläufig höhere Bestände notwendig. Das erforderte Überzeugungsarbeit im Mutterhaus in Deutschland.
Doch auch die Käufer der Fahrzeuge mussten einen Lernprozess durchlaufen. Die schweren Einsatzbedingungen in Russland erfordern einen pfleglichen Umgang mit den Fahrzeugen und die Einhaltung der vorgeschriebenen Wartungsintervalle. Das Verständnis dafür, dass ein guter Service seinen Preis hat und - besonders in der Gewährleistungsfrist – ausschließlich autorisierte Werkstätten und Originalersatzteile zum Einsatz kommen sollen, musste sukzessive entwickelt werden. Gemeinsam mit den Servicewerkstätten stand der Ersatzteilvertrieb im Wettbewerb zu einem aktiven „Graumarkt“. Über die Zeit hat sich dieser Geschäftsbereich jedoch durchsetzen und sich zu einem ertragsstarken Feld entwickeln können. Als weitere erfolgreiche Aftersales-Maßnahme haben sich Fahrerschulungen bewährt, die u.a. durch das Training kraftstoffsparender Fahrweisen einen echten Mehrwert für die Kunden darstellten.
Doch mit erheblichem Kraft- und Zeitaufwand ist es gelungen, in Russland mit seinen abseits der Metropolen häufig noch schwierigen Verhältnissen ein funktionierendes Servicenetz zu knüpfen und die Kunden von der Sinnhaftigkeit eines schnellen und zuverlässigen Kundendienstes zu überzeugen.
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