Türkei und Interim Management
, von Elcin Rabatli (Executive Betreuung, Bridge imp)
Die türkische Wirtschaft wird seit Jahren durch starke Wachstumszahlen geprägt, was dazu geführt hat, dass sie sich zu einem interessanten Wirtschaftsstandort für europäische Unternehmen entwickelt hat. Im dritten Quartal von 2011 ist sie mit einer Rate von 8% im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.
Als Wachstumsbranche zählt die Informations- und Kommunikationstechnologie. Nach Angaben des Monitor International wird es bis 2014 der am schnellsten wachsende IT-Markt in Europa sein. Beispiel dafür ist die Vodafone Türkiye, was ehemals Telsim hieß und von Vodafone übernommen wurde.
Als wichtigster Sektor im produzierenden Bereich gilt die Automobil- und Zulieferindustrie. 2010 nahm die Türkei mit jährlich über 1 Million produzierten Fahrzeugen den 16. Platz ein. Dazu ist es auch Europas größter Produzent von Nutzfahrzeugen. Ausländische Automobilhersteller, wie Toyota, MAN, Daimler AG, Ford sowie Fiat haben hier bereits Produktionsstandorte. Der Daimler Konzern hat in der Nähe von Istanbul mit rund 340 Mill. Euro in eines der weltweit modernsten Omnibuswerke, das sich auf 130.000m² erstreckt, investiert und an die Spitze einen Schwaben als CEO von Mercedes Benz Türk gesetzt. Die Türkei gehört zu den größten Exporteuren von Bekleidung. Der größte Teil der Produktion sind Aufträge deutscher und ausländischer Markenhersteller, wie Adidas und Puma.
Mit ihrer strategischen Lage zwischen Asien und Europa wird die Türkei zunehmend wichtiger als Energiedrehscheibe- und terminal ihrer Region. (z.B. RWE-Beteiligung am Konsortium für den Bau der Nabucco-Pipeline). Der türkische Energiemarkt bietet viele Investitionsmöglichkeiten: vom Vertrieb und Export petrochemischer Produkte, über die Stromerzeugung aus allen bekannten Energiequellen, wie z.B. die Wasserkraft, deren Potential noch nicht ausgeschöpft ist. Größtes Wachstumspotenzial bildet die Windenergie sowie die Solarenergie.
Spitzenführer bei den ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei ist die EU. Ende 2010 gab es in der Türkei über 28.500 Firmen mit Auslandskapital, zwei Drittel von ihnen wurden nach 2003 gegründet. Allein die Zahl der deutschen Firmen mit Auslandskapital beträgt um die 4.000.
Weitere Branchen die auch von den Investitionen profitieren sind die Konsumgüter/ Elektronikindustrie und der organisierte Einzelhandel und die Supermarktketten. In der Unterhaltungs- und Haushaltselektronik ist die BSH Bosch vertreten. Seit dem die Koc Holding alle Anteile der Grundig Multimedia B.V. aufgekauft hat, werden nun Fernseher der Marke Grundig nur im eigenen Grundig Werk in der Türkei produziert. Die Zahl der deutschen und internationalen Einzelhandelsketten wie Metro, Real, Praktiker, Bauhaus etc. hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Bei der Eröffnung der Ikea- oder Media-Markt-Filialen haben sich die Verbraucher im wahrsten Sinne des Wortes in die Läden gedrängelt.
Nach den starken deutschen Unternehmen, die bereits vor Jahren die Attraktivität des türkischen Marktes erkannt haben, finden an diesem Land auch immer mehr mittelständische Unternehmen für ihre Investitionen gefallen. Vor sechs Jahren stieg der deutsche Schuh-Einzelhändler Deichmann in den türkischen Markt ein und hat bereits Filialen im Nordosten, bald soll auch der Südosten für den Verkauf von Deichmann Schuhe erschlossen werden. „Wir wollen die Nummer eins im türkischen Schuhhandel werden“, sagt der Türkei Geschäftsführer des Essener Familienunternehmens. Deichmann plant bis Jahresende zehn weitere Läden im Land zu eröffnen. Inzwischen ist die Türkei Deichmanns am schnellsten wachsender Auslandsmarkt.
Mit ihrer strategisch-geographischen Lage fungiert die Türkei als natürliche Brücke zwischen Europa und Asien und verschafft dadurch einen einfachen Zugang zu den wichtigsten Märkten in Richtung Russland, zentralasiatische ehemalige Sowjetrepubliken, Nahost und Nordafrika. Zudem ist die Türkei in Europa das Land mit der jüngsten Bevölkerung. Die Hälfte der Bevölkerung in der Türkei ist unter 30 Jahre. Es gibt rund 500.000 Absolventen von 156 Hochschulen. Dadurch stehen hoch qualifizierte, motivierte, kreative und flexible Arbeitskräfte zur Verfügung, was eine hohe Produktivität und niedrige Abwesenheitsraten der Beschäftigten garantiert. Die Türkei ist auch eines der Länder mit der höchsten Wochenstundenzeit (durchschnittlich 52,2 Stunden).
All diese Faktoren machen das Land äußerst attraktiv für ausländische Investoren. Dadurch ergibt sich auch ein großes Potential an Einsatzbereichen für Interim Management in der Türkei. Zum Beispiel für Themen wie Standortverlagerung, Aufbau/Leitung einer Auslandstochter in der Türkei, Erschließung des türkischen Marktes, technische Leitung für ein Joint Venture-Werk in der Türkei, etc. Für Interim- Einsätze in der Türkei bietet sich unter anderem die sogenannte dritte Generation der Türken in Deutschland an. Sie sind sehr gut ausgebildet, kulturell deutsch-türkisch geprägt und sowohl mit der deutschen als auch mit der türkischen Kultur aufgewachsen und vertraut. Diese Manager können in Zukunft für Interim-Einsätze in der Türkei von großer Bedeutung werden.
Unternehmen wie Wacker Chemie oder dem Mittelständler Lumberg (Hersteller für Steckverbindungsysteme) gelten hier als Vorreiter. Sie setzen bei ihren Töchtern in Istanbul gern zweisprachig aufgewachsene Akademiker mit deutsch-türkischem Hintergrund als Vermittler zwischen den Kulturen ein. Warum sollte diese Gruppe nicht auch für Interim-Einsätze in der Türkei interessant sein?
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