Herausforderung HR: Wenn die Unternehmensstrategie der Personalstrategie davonläuft
, von Jens Quentin (Bridge imp)
Inken Schneider hat 20 Jahre Führungserfahrung im Personalwesen. In den Branchen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Baustoffe und Finanzdienstleistungen hat sie vom Mittelstand bis zum globalen Konzern Unternehmen im HR-Bereich begleitet. Die examinierte Juristin ist unter anderem als Dozentin für Betriebliche Personalarbeit (DHBW) tätig.
Günter Flierl hat seine Wurzeln im Bereich Finance / Controlling und war in mehreren Positionen als CFO tätig. Der erfahrene Krisenmanager blickt mittlerweile auf über 12 Jahre Erfahrung als Interim Manager zurück. Sein Schwerpunkt liegt in der Unternehmensentwicklung auf Basis von Prozess-Optimierung und Reorganisation. Dabei deckt er die gesamte Wertschöpfungskette vom Einkauf bis zum Vertrieb ab.
Gastbeitrag von Inken Schneider und Günter Flierl:
In unserer langjährigen Tätigkeit als Personalmanagerin bzw. als Interim Manager für Unternehmensentwicklung haben wir immer wieder eines beobachtet und erlebt: Unternehmens- und Personalstrategie gehen häufig eklatant auseinander. Aus unserer Sicht werden die deutlich erhöhten Anforderungen an Personal und Personalplanung nicht mehr erfüllt.
Drohender Kollaps
Jedes Unternehmen muss sich Entwicklungen wie der Globalisierung und Digitalisierung stellen und sollte sich daher auch stets in allen Bereichen weiterentwickeln. Es gilt, internationaler zu werden (z. B. beim Reporting und bei den Jahresabschlüssen) und digitaler, wie etwa bei automatisierten Einkaufsprozessen P2P (purchase to pay). Grundsätzlich sollte jedes Unternehmen auch bestrebt sein, agiler und schneller zu werden.
Die altgediente Mannschaft kann da häufig nicht mithalten, will es in manchen Fällen womöglich gar nicht. Jahrelang ohne Förderung und unter Führung von wechselnden Vorgesetzen sind die Teams irgendwann im kreativen Stillstand gelandet. Die Schere zwischen Anforderung und Eignung geht somit immer weiter auseinander. Das kann katastrophale Folgen für die gesamte Wertschöpfungskette haben. In unseren bisherigen Stationen haben wir das schon in fast allen Bereichen erlebt: im Einkauf, Personal, Finanzen etc. Kritisch wird die Lage, wenn Key Player des Unternehmens (meist stressbedingt) ausfallen oder kündigen. In diesen Situationen droht der Kollaps eines Bereichs, häufig mit fundamentalen Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen.
Erfahrungen aus der Praxis
Wir möchten das anhand eines konkreten Beispiels verdeutlichen: Ein Private-Equity-geführtes Unternehmen mit mehreren Landesgesellschaften soll im nächsten Entwicklungsschritt an die Börse gebracht werden. Dieser Schritt erfordert eine gut aufgestellte Finanzabteilung. Nicht nur für das Großprojekt Börsengang an sich, sondern auch für die daraus resultierenden Reporting-Vorschriften. In der deutschen Landesgesellschaft hat die Finanzabteilung eine angemessene Personalstärke für den bisherigen Umsatz.
Bei genauer Betrachtung besteht sie fast ausschließlich aus Mitarbeitern der Buchhaltung. Projektarbeit wird nur vom Abteilungsleiter, dem Treasury Manager und dem Junior Controller geleistet. Hier wurde bei den Personalentscheidungen der vergangenen Jahre nie auf das Mitarbeiterpotential geachtet, nur auf gut bezahlbare Gehälter. Das rächt sich nun: Auf die Schnelle sind kaum ausreichend qualifizierte und entsprechend erfahrene Finance-Mitarbeiter zu finden. Der Börsengang und das Tagesgeschäft mit deutlich erhöhten Anforderungen stehen im Risiko.
Problemfall KMU
Diese Diskrepanz zwischen Unternehmensstrategie und unausgereifter Personalstrategie kommt aus unserer Erfahrung betrachtet sehr häufig vor. In diesen Situationen fragen wir uns, warum die Strategieumsetzung das Unternehmen so überraschend zu treffen scheint und nicht mit der langfristigen Personalplanung und Personalentwicklung abgestimmt ist? Wird zwischen Geschäftsleitung und Personalleitung zu wenig kommuniziert? Das ist sicher ein Teil des Problems: Es wird zu wenig über strategische Themen gesprochen, sondern vorrangig über die aktuellen Vakanzen und kurzfristigen Prioritäten. Wird der Personalleitung keine strategische Personalplanung abgefordert? Hier liegt des Pudels Kern! Tatsächlich haben viele Konzerne eine eigens ausformulierte Personalstrategie. Bei KMU sucht man meist vergebens.
Ein Lösungsansatz
Wie aber vernetzt man Unternehmensstrategie und strategische Personalplanung? Der langfristige und nachhaltige Erfolg wird ausgebremst, wenn beide Strategien nicht Hand in Hand gehen. Im Konzernumfeld ist häufig genug Kapital vorhanden, um diese Schwäche zu kompensieren. KMU verfügen über begrenztere Mittel. Sie haben selten das Know-how, wie man eine strategische Personalplanung angeht, weil der knapp besetzte HR-Bereich keine Spezialisierung auf dieses Thema zulässt. Dazu kommt oft die Überlastung aus dem operativen Geschäft, die Personalmanagern gar keine Luft für strategische Aufgaben und Planungsansätze lässt. Genau hier helfen spezialisierte und erfahrene Interim HR Manager, mittels einer Strategie-Harmonisierung eine Lösung für Ihr Unternehmen zu schaffen.
Was gehört zu einer strategischen Personalplanung?
- Das Ableiten des Personalbedarfs der nächsten Jahre aus der Unternehmensstrategie zusammen mit allen Fachbereichen. Dazu gehört auch das Erörtern von Zukunfts-Szenarien – wie könnten sich Wirtschafts- und Arbeitsmarkttrends entwickeln und inwieweit müssen sie in der Personalstrategie berücksichtigt werden? Das Ergebnis umfasst zum einen konkrete Headcount-Zahlen für die einzelnen Bereiche und Jobfamilien (also Mitarbeitergruppen mit ähnlichen Aufgaben). Zum anderen entsteht Klarheit über Schlüsselpositionen und Kernkompetenzen, die perspektivisch im Unternehmen benötigt werden.
- Das Erstellen eines Talent-Portfolios der aktuellen Mitarbeiter, das vorhandene und fehlende Kompetenzen sichtbar macht. Zudem werden Entwicklungspotenziale sowie Alters- und Fluktuationsrisiken erfasst. Hieraus entwickelt sich ein möglicher Besetzungs- und Nachfolgeplan. Unternehmen profitieren von der vollständigen Transparenz vorhandener und fehlender Mitarbeiterpotenziale.
- Das Entwickeln und Bewerten von Handlungsalternativen: Wie kann frühzeitig qualifiziert oder rekrutiert werden, um den Personalbedarf zu decken und auf Veränderungen im Markt eingestellt zu sein?
- Schließlich steht ein detaillierter Aktionsplan, wie das Unternehmen die zukünftig benötigten Kompetenzen vorausschauend erwirbt.
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