Von der Werthaltigkeit der Personalarbeit
, von Rayk Jakobi (Bridge imp)

Es ist schon ziemlich bezeichnend, dass gerade in den letzten 12 Monaten unsere Interim Manager aus dem Personalwesen sehr gut gebucht waren. Entweder hörte man, dass ihre Mandate sich ständig verlängerten oder – im Falle einer Verfügbarkeit – sie auch wieder schnell in einem neuen Mandat waren. Der Bedarf ist also aktuell immens!
Das Personalwesen ist – so mein Eindruck – in den letzten Jahren in vielen Unternehmen neu strukturiert worden: ‚HR Business Partner‘ sollen mehr und mehr die Rolle der Beratung aller Mitarbeiter und Abteilungsleiter übernehmen. „Näher am Tagesgeschäft“ oder „Näher am Menschen“ ist die Devise. Auf der anderen Seite wurde an vielen Stellen die Personal-Abteilung dem kaufmännischen Bereich untergeordnet, direkt berichtend an einen CFO, genauso wie IT oder Einkauf. Wie man das bewerten mag, ist eigentlich nicht meine Aufgabe, weil ich auch nur Auszüge aus den Entwicklungen mitbekomme.
Ich sehe aber in den letzten Monaten auch sehr häufig wiederkehrende Gründe für auftretende Vakanzen im Personalwesen: Burnout steht an erster Stelle. Hoher Bedarf bei der Beratung der Führungskräfte, gerade im Rahmen von Change Management oder Merger-Prozessen ist auch einer der wichtigsten Gründe. Was ist da passiert? Werden Personalmanagerinnen und -manager in den Unternehmen überlastet und fallen darum verstärkt aus? Erhalten sie immer mehr Verantwortung oder müssen sie gar Rollen übernehmen, die eigentlich die Bereichsleiter zu übernehmen hätten? Werden sie gar zwischen Führungskreis und Belegschaft ‚zerrieben‘?
Gerade wenn es darum geht, Veränderungen in Unternehmen voran zu treiben, müssen die Führungskräfte einiges aushalten. Umso mehr müssen diese auch ihre Mitarbeiter zusammen halten, mit gutem Beispiel vorangehen und in Zeiten dieses Wandels Sicherheit ausstrahlen und in der Lage sein, einen Weg vorzugeben.
Alles dreht sich immer schneller: Die Welt strotzt nur so vor Innovationen. Der eine oder andere Unternehmer stellt z.B. fest, dass er dringend Veränderungen im Produktportfolio voran zu bringen hat. Damit einhergehend steigen oder verändern sich natürlich die Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiter. Allein dies geht ohne eine professionelle Personalarbeit nicht. Dazu gehören Personalentwicklungsmaßnahmen genauso wie – leider auch immer wieder – Personalreduzierungen oder Veränderungen hin z.B. zu einem Mehrschichtbetrieb oder Wochenendarbeit, z.B. im Service. Das alles geht dann meistens auch nur gleichzeitig.
Die Führungskräfte sind froh, dass sie in diesen Phasen den Personaler, wenn auch „nur“ interimistisch, an ihrer Seite haben. Die Anforderung an den Interim Manager ist, unpopuläre Entscheidungen zu operationalisieren bzw. allen mit Tat und Rat zur Seite zu stehen. Letzteres auch im Sinne: zu sagen, was so oder so nicht geht. Viele Bereichsleiter sind sich vielleicht gar nicht bewusst, dass sie mit ihrer Vorgehensweise oder Kommunikation im Rahmen einer Veränderung viel mehr verbrennen können oder gar Mitarbeiter verlieren, auf die sie gar nicht verzichten dürfen. Schon dabei ist also guter Rat gefragt. Und das soll und kann man auch vom Personaler verlangen können.
Aber ist das auf die Dauer so der richtige Weg? Auf der anderen Seite ist der hohe Bedarf an Interim Management aus dem HR Bereich doch auch ein Zeichen dafür, dass die, ich nenne es Abwertung der Personalfunktion, in manchen Unternehmen der falsche Weg zu sein scheint. Es geht nicht nur darum, mit den Mitarbeitern auf Kuschelkurs zu gehen. Das ist ein anderes Thema, gerade in Zeiten der Vollbeschäftigung. Es geht darum, den Mittelstand und die Unternehmen im globalen Wettbewerb fit zu machen. Dabei kann und darf man aus meiner Sicht nicht auf die kreative und nachhaltige Personalarbeit verzichten. Auch wenn sich Mitarbeiter verändern, sich einschränken müssen, da einfach vieles nicht mehr so wie früher geht, gilt es, sie mit ins Boot zu holen, sie wertzuschätzen und ihnen zu zeigen, dass dieser Weg nur mit ihnen geht. Personaler sind in der Lage, diese Brücke zu bauen – in guten wie in schweren Phasen.
Aus meiner Sicht kann man also auf eine professionelle Personalarbeit nicht verzichten. Ich warte gespannt auf die nächste Anfrage aus dem Personalwesen, bei der es heißt: „Ich möchte einen Interim Manager hinzu ziehen, der dem Personalwesen ein neues Gesicht gibt.“